"Aula"-Prozess in Graz im Finale
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Beim Prozess gegen den ehemaligen Chefredakteur der Zeitschrift “Aula” haben sich Dienstagnachmittag im Grazer Straflandesgericht die Geschworenen zur voraussichtlich stundenlangen Beratung zurückgezogen. Am Vormittag wurden – wie auch schon den ganzen Montag lang – die rund 300 Fragen an die Geschworenen von Richter Erik Nauta verlesen. Ein Urteil wird wohl erst am Mittwoch verkündet werden – und auch das wird viele Stunden in Anspruch nehmen.
Ehe die Geschworenen in die Beratung gingen, waren Dienstagnachmittag aber noch Staatsanwalt Christian Kroschl sowie der Verteidiger des Beschuldigten, Bernhard Lehofer, mit ihren Schlussplädoyers am Wort. Kroschl sah nach den mehr als ein Dutzend Verhandlungstagen seine Anklage bestätigt: “Man muss die ‘Aula’ als System begreifen: Der Angeklagte hat den Plan verfolgt, rechtsextreme Ansichten zu propagieren und zu festigen.” Gestützt werde der Vorwurf durch zwei voneinander unabhängige Gutachten, die beide zu “ein und demselben Ergebnis” kommen würden: Die “Aula” habe NS-typische Propaganda verbreitet und Holocaust-Leugnung sei darin als “andere Meinung” akzeptiert worden. Laut den Gutachtern sei “die komplette Palette des NS-Gedankenguts in der ‘Aula’ zu finden”, so Kroschl.
Dass sich der angeklagte ehemalige Chefredakteur Martin Pfeiffer aus der Verantwortung für die Texte sowie die Inhalte der verkauften Bücher über den Aula-Buchdienst nehme, ließ der Staatsanwalt nicht zu: “Er hat fundiertes, historisches Wissen und das in der Verhandlung immer wieder bewiesen. Er kann jetzt nicht glaubhaft behaupten, nicht gewusst zu haben, worum es im Kern der Texte ging.” Die Geschworenen nannte Kroschl “Pioniere”, denn sie würden “entscheiden, ob solche gefährlichen Ideologien weiter in die Welt getragen werden dürfen”. Der wieder zunehmende Extremismus und Antisemitismus in der Gesellschaft zeige, “wie wichtig das Verfahren ist, um aufkommendes NS-Gedankengut wieder im Keim zu ersticken”.
“Soldatisches” ganz ohne “Tarnsprache”
Verteidiger Lehofer dagegen meinte, dass sein Mandant niemals in Kauf genommen hätte, als “Märtyrer” für die vorliegenden Texte fünf Jahre oder mehr ins Gefängnis zu gehen. “Der Holocaust wurde nirgendwo in der ‘Aula” geleugnet”, so der Anwalt. Die meisten Abonnenten seien aus der Kriegsgeneration gewesen und seien froh gewesen, dass es eine Zeitung gab, “die Soldatisches geschrieben” hat. Zudem führte Lehofer ins Treffen, dass der Staatsschutz jahrelang Abonnent war und “mitgelesen” habe. Es sei auch keine “Tarnsprache” verwendet worden, im Gegenteil, sogar im Titel waren die – laut Anwalt – kritischen Wortmeldungen zu lesen.
Die Gutachter hätten außerdem etwa die Hälfte der rund 300 in der Anklage genannten Artikel als unbedenklich eingestuft. Selbst wenn die Texte nicht in Ordnung gewesen wären, dann hätte sein Mandant nach den vielen Jahren ohne Anzeige durch den Verfassungsschutz wohl davon ausgehen können, dass die “Kritik” in der Zeitschrift rechtskonform sei: “Man wird ihm dann wohl Rechtsirrtum zubilligen müssen”, so Lehofer. Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.
Paragrafen 3d und 3h des Verbotsgesetzes
Die Anklage listet etwa 300 Artikel aus dem mittlerweile eingestellten Magazin auf, die unter anderem Rassenlehre und Antisemitismus propagieren sollen. Sie wurden einzeln in teils langen Verhandlungstagen mit den Geschworenen besprochen. Pfeiffer war zu seiner Zeit als Chefredakteur auch FPÖ-Bezirkspolitiker in Graz und hat alle Vorwürfe von sich gewiesen. Er soll aber laut Anklage unter anderem Rassismus, Herrenrassen- und völkischem Denken sowie einem biologisch-rassistischen Volksbegriff und nationalsozialistischen Rassentheorien in der “Aula” eine Plattform geboten haben.
Die Verhandlung hatte im September mit einem ambitionierten Zeitplan begonnen: Die rund 300 in der Anklage aufgelisteten Textbeispiele sollten innerhalb weniger Tage durchgesprochen werden. Der Plan hielt allerdings nicht, weshalb der Prozess statt nach zwei Verhandlungswochen im September nun erst im Dezember zu Ende geht. Der ehemalige Chefredakteur des Magazins muss sich unter anderem wegen des Paragrafen 3d des Verbotsgesetzes verantworten. Er soll von 2005 bis Juni 2018 teilweise als Autor in publizierten Beiträgen “nationalsozialistische Propaganda-Stereotype” verwendet haben. Damit sollen andere zur NS-Wiederbetätigung angestiftet worden sein. Die Anklage wurde erst vergangene Woche auch noch auf den Paragraf 3h des Verbotsgesetzes ausgedehnt: Der Beschuldigte soll während der laufenden Verhandlung mit seinen Antworten NS-Verbrechen verharmlost haben.
Bevor die Geschworenen in die Beratung gingen, war auch noch Pfeiffer selbst am Wort und stand dafür von seinem Platz in der Mitte des Saals auf und las sein mehrseitiges Schlusswort vor. Das mittlerweile rund sieben Jahre andauernde Verfahren sei eine Zumutung und eine besondere psychische Belastung. “Viele meinen, es sei gar kein normaler Strafprozess, sondern das geschehe auf Zuruf von SOS Mitmensch”, so Pfeiffer. Tatsächlich hatte SOS Mitmensch jene Anzeige eingebracht, die das Verfahren ins Rollen brachte. Pfeiffer sieht SOS Mitmensch im Schlagabtausch mit der FPÖ: “Einer Partei, die in der Steiermark immerhin den Landeshauptmann stellt, wird die demokratische Legitimation abgesprochen.” Er sehe sich dabei nun als “Bauernopfer”. Er meinte, dass Aussagen und Artikel, die 20 Jahre alt seien, heute problematisch zu beurteilen seien, weil damals ein anderer “Zeitgeist” geherrscht habe. Er habe jedenfalls geglaubt, dass sämtliche Texte und Artikel in der “Aula” einwandfrei waren.
(APA)




